Das Wechselmodel im Kindschaftsrecht und Unterhaltsrecht

Das Wechselmodell
In der jüngsten Vergangenheit ist vermehrt festzustellen, dass es gerichtliche Auseinandersetzungen über das Wechselmodell gibt. Auch sind immer mehr Artikel über die kinderpsychologischen Aspekte des Wechselmodells zu lesen.
Grundsätzliche Voraussetzungen für ein Wechselmodell sind:
1. Die Eltern haben sich auf dieses Modell der gemeinsamen Verantwortung für das Kind verständigt.
2. Die Eltern sind sich bewusst, dass ein Wechselmodell eine gesteigerte Form der Kooperation zwischen den getrennten Eltern erfordert und diese Eltern sind in der Lage, ihren Partnerschaftskonflikt strikt von den Kindesinteressen zu trennen.
3. Das Kind steht dem Wechsel der verschiedenen Wohnorte und Betreuung Muster positiv gegenüber.
Es gibt kinderpsychologische Ansätze, die das Wechselmodell als das optimale Betreuungskonzept von Kindern darstellen. Die Argumente dafür sind:
1. die Eltern können sich auf einer Augenhöhe begegnen und dies auch den Kindern demonstrieren. Damit erscheinen beide Eltern für die Kinder als gleich wichtig.
2. Die Eltern entwickeln für die Betreuung detailliert abgesprochene Pläne, die kaum Spielraum für Diskussionen zwischen den Eltern eröffnen.
3. Es gibt nur wenige Wechsel zwischen den verschiedenen Betreuungen, nicht wie bei einem üblichen Umgangsmodell.
Die Familienrichter sind noch sehr skeptisch, was das Wechselmodell angeht. Ein Richter von unserem OLG in Schleswig berichtete, dass in einer Vielzahl der Verfahren mindestens bei einem Elternteil Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit festzustellen seien. Dies müsse sich zwangsläufig auf die Fähigkeit der Eltern zur Umsetzung des Wechselmodells auswirken. Im Gegensatz zu dem Ansatz, dass das Wechselmodell das "optimale Betreuungskonzept" sei, verlangen unsere Gerichte für ein solches Wechselmodell immer noch ein Mindestmaß an Akzeptanz der beiden Eltern zueinander und zu diesem Modell, da dieses Modell letztlich auch in die Praxis umgesetzt werden muss. Aus diesem Grunde scheidet nach der bisher bekannten Rechtsprechung eine familiengerichtliche Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils aus.
Begriff des Wechselmodells
Eine Definition im Gesetz gibt es nicht. Das Gesetz geht grundsätzlich von einem Residenzmodell aus, wonach das Kind nach der Trennung der Eltern bei einem der Elternteile verbleibt und der andere Elternteil das Umgangsrecht erhält. Der BGH hat in einer Entscheidung mal davon gesprochen, dass ein Wechselmodell jedenfalls dann vorliegt, wenn beide Eltern etwa die Hälfte der Versorgung- und Erziehungsaufgaben wahrnehmen. Nicht von einem Wechselmodell kann laut BGH davon ausgegangen werden, wenn die Kinderbetreuung im Verhältnis 2/3 zu 1/3 aufgeteilt ist.
Es taucht immer wieder der Fall auf, dass ein Eltern teil die bisherige Betreuung als Wechselmodell ansieht, der andere Elternteil sieht das aber nicht ganz so. Der überzeugte Elternteil beantragt nun vor dem Familiengericht das Wechselmodell anzuordnen.
Derzeit wird die Rechtsprechung dies jedenfalls dann ablehnen, wenn der andere Elternteil sich gegen diese Anordnung ausspricht. Diese Rechtsprechung basiert auf dem Gedanken, dass eben nur das Residenzmodell bekannt ist und das Wechselmodell keine Verankerung im Gesetz findet. Das Wechselmodell kann weder als sorgerechtliche Entscheidung angeordnet werden, noch im Rahmen eines Umgangsrechtes wäre dies möglich.
Es gibt allerdings eine Entscheidung des 5. Familiensenat des OLG Schleswig, womit ein Wechselmodell, auch ohne die Zustimmung beider Elternteile, angeordnet wurde. In dem Leitsatz des OLG Schleswig in seinem Beschluss vom 19.12.2013 zum Aktenzeichen 15 OF 55/13 heißt es:
"Wesentliches Argument für die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts mit der Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Sinne eines hälftigen Wechselmodells ist das Bedürfnis der Kinder nach möglichst gleichberechtigter Teilhabe am Leben beider Elternteile und insbesondere der authentisch geäußerte Wunsch eines elfjährigen Kindes, die gegenwärtige Situation beizubehalten. Maßgeblich und im Einzelfall ist zu prüfen, welche Lösung dem Kindeswohl am besten entspricht. Die fehlende ausdrückliche Zustimmung eines Elternteils ist dabei von untergeordneter Bedeutung".
Das Wechselmodell und Kindesunterhalt
Die Berechnung des Kindesunterhaltes im Wechselmodell hat bereits die praktische Schwierigkeit, dass das kein Elternteil die tatsächliche Obhut für das Kind hat und damit eigentlich kein Elternteil förmlich die Kindesunterhaltsansprüche geltend machen kann. Es wäre also entweder ein Ergänzungspfleger für das Kind zu bestellen oder einer der Elternteile lässt sich von dem anderen die Geltendmachung der Kindesunterhaltsansprüche übertragen. Sollte dies nicht freiwillig geschehen, wäre ein Gerichtsverfahren dazu notwendig und spätestens nach Abschluss dieses Verfahrens durch zwei Instanzen wäre das Wechselmodell zwischen diesen Eltern ohnehin obsolet. Die juristische Literatur bietet als Lösung für dieses Problem an, dass der Kindesunterhalt zwischen den Kindeseltern im Wege des familiengerichtlichen Ausgleichsanspruchs vorgenommen wird.
Bei einem tatsächlich paritätischen Wechselmodell ist die Berechnung des Kindesunterhalts noch nicht abschließend geklärt. Grundsätzlich haften die Eltern für den Unterhalt des Kindes nach ihren Einkommens-und Vermögensverhältnissen. Es wird zunächst der Grundbedarf des Kindes bestimmt, indem beide Einkommen der Eltern zusammengerechnet werden und in dieser Einkommensstufe in die Düsseldorfer Tabelle geschaut wird. Hinzugerechnet werden allerdings Mehrkosten, die durch den Wechsel des Kindes von einem in den anderen Haushalt entstehen. Diese Mehrkosten sind konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Diese Mehrkosten können entstehen durch Wohnkosten, Fahrtkosten, doppelte Anschaffung von Spielzeug und Kleidung usw.
Die Berechnungsmodelle, die für die Berechnung von Kindesunterhalt im Wechselmodell bei unterschiedlichen Einkünften der Eltern zur Verfügung gestellt werden, sind teilweise kompliziert. Ein Berechnungsbeispiel geht zum Beispiel davon aus, dass der Vater ein Nettoeinkommen von 3000 € hat, die Mutter ein Nettoeinkommen von 2000 €. Es gibt Mehrbedarf bei der Wohnung bei Fahrtkosten und bei der Nachmittagsbetreuung. Im Ergebnis kommt dieses Berechnungsmodell dazu, dass der Kindesvater der Kindesmutter einen Anteil von 71 € auszuzahlen hat. Bei diesen Summen muss man sich also fragen, ob die Auseinandersetzung über Unterhalt im Wechselmodell sinnvoll erscheint oder ob dadurch nicht das Wechselmodell vielmehr gefährdet wird.
Enttäuscht werden die Eltern, die sich von einem Wechselmodell eine finanzielle Entlastung hinsichtlich des Kindesunterhaltes versprechen. Im Regelfall wird es vielmehr so sein, dass durch Mehrkosten und Mehrbedarf die Belastungen sogar steigen.
In der Praxis wird das Wechselmodell also nur dann eine Rolle spielen, wenn die Eltern sich sehr gut verstehen und sich auf dieses Wechselmodell mit allen Konsequenzen, auch den finanziellen Folgen verständigt haben. Ob sich der Ansatz des OLG Schleswig, dass die Kindesinteressen an einem Wechselmodell höher zu bewerten sind als die Interessen der Eltern, wage ich zu bezweifeln.
Das unechte Wechselmodell - Der erweiterte Umgang
Der viel häufigere Fall als das Wechselmodell ist der sogenannte erweiterte Umgang. Vom erweiterten Umgang wird jedenfalls dann gesprochen, wenn der Zeitanteil bei dem weniger betreuenden Elternteil mindestens 30 % beträgt. Dies entspricht einem Betreuungsanteil der Kinder von mehr als zehn Tagen im Monat. Im Rahmen des erweiterten Umgangs wird natürlich der Kindesunterhalt problematisiert. Stellt sich die Frage, ob bei erweiterten Umgang der Kindesunterhalt noch genauso zu berechnen ist, wie in den Fällen der üblichen Umgangskontakte. Natürlich ist der Elternteil, der mehr als 30 % an der Kinderbetreuung teilhat, finanziell zu entlasten. Umstritten ist allerdings, in welcher Folge Form diese Entlastung zu geschehen hat. Da gibt es Meinungen, wonach der barunterhaltspflichtige Elternteil seine konkreten Mehraufwendungen zu belegen hat und die Ersparnisse des hauptsächlich betreuenden Elternteils geschätzt werden. Der BGH spricht beim erweiterten Umgangsrecht von Kosten, die reinen Mehraufwand für die Ausübung des Umgangsrechts darstellen und den anderen Elternteil nicht entlasten sowie Kosten, die zu einer teilweisen Bedarfsdeckung beim Kind führen. Bei Mehrkosten ohne Entlastungswirkung handelt es sich zum Beispiel bei Zusätze um den zusätzlichen Wohnaufwand (Vorhalten eines Kinderzimmers) und die zusätzlichen Fahrtkosten.
Eine in der Literatur vertretene Auffassung will einen unterhaltsrechtlichen Ausgleich für den Mehraufwand durch erweiterten Umgang dadurch gewährleisten, dass in der Düsseldorfer Tabelle um eine Gruppe heruntergegangen wird. Im Moment erscheint dies als einzig gangbare Lösung. Alles andere wird unglaublich kompliziert.