eheliche Lebensverhältnisse - angemessener Lebensbedarf - ehebedingte Nachteile - WAS ist das?

Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen – angemessener Lebensbedarf – ehebedingte Nachteile. Wie hängt das zusammen?

Den Zusammenhang der drei Begriffe möchte ich kurz darstellen. § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB, der den Unterhalt der ehelichen Lebensverhältnisse regelt und definiert, sieht aus wie eine Lebensstandgarantie für den geschiedenen Ehegatten, dem im Ergebnis die Hälfte des gemeinsam geschaffenen Einkommens zustehen soll.

Dagegen spricht § 1578 b BGB, also die Vorschrift, nach der der Unterhalt befristet oder begrenzt werden kann, von dem angemessenen Lebensbedarf.

Der angemessene Lebensbedarf wäre das Einkommen, das der Unterhaltsberechtigte Partner ohne die Ehe und ohne Kinder durch seine eigene Arbeit erzielen würde. Damit erklärt § 1578 b BGB der o.g. dauerhaften Lebensstandgarantie der geschiedenen Ehegatten eine Abfuhr.

Wie ist § 1578 b BGB zu verstehen?

Die Norm soll nach ihrem Wortlaut auf alle Unterhaltsbestände Anwendung finden können. Allerdings hat der BGH beim Betreuungsunterhalt für gemeinsame Kinder eine Befristung praktisch ausgeschlossen. Allenfalls wäre nach § 1578 b BGB eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Unterhalt möglich.

Ab wann schlägt § 1578 b BGB zu?

Nach dem Wortlaut der Norm kann bereits unmittelbar nach Rechtskraft der Scheidung der Unterhalt begrenzt oder befristet werden. Die Rechtsprechung hat allerdings eine Art von Schonfrist etabliert. Die Dauer der Schonfrist hängt von verschiedenen Kriterien ab. Dabei spielen Dauer der Ehe, Alter der Kinder, Ausmaß der ehebedingten Nachteile oder Dauer des bislang gezahlten Unterhalts eine Rolle. Ist die für den Einzelfall vom Gericht im freien Ermessen zu bestimmende Schonfrist abgelaufen, gibt es folgende Möglichkeiten:

1.Es gibt keinen weiteren Unterhalt, da der bislang bedürftige Ehegatte das Einkommen erwirtschaftet, welches er auch ohne die Ehe erwirtschaften würde.

2.Ein lebenslanger Unterhalt ist dann zu gewähren, wenn der bedürftige Ehegatte trotz voller Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit nicht in der Lage ist das Einkommen zu erzielen, welches er ohne die Ehe hätte erzielt.

Für den zweiten Fall scheidet eine Befristung regelmäßig aus. Eine Begrenzung erfolgt aber auf den Betrag zwischen dem tatsächlich erzielten und dem ohne Ehe erzielbaren Einkommen. Damit wird deutlich, dass der Begriff der ehebedingten Nachteile eine zentrale Rolle im Rahmen des § 1578 b BGB spielt.

Was ist ein ehebedingter Nachteil?

Das Gericht hat zu prüfen, inwieweit durch die Ehe bei einem Ehegatten finanzielle Nachteile dahingehend entstanden sind, mit eigener Arbeit für den eigenen Unterhalt zu sorgen.
Die Nachteile ergeben sich meist der Dauer der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der individuellen Ausgestaltung der Haushaltsführung und der beruflichen Tätigkeiten in der Ehe.

Etwaige durch die klassische Rollenverteilung entstandene Nachteile der Ehe sollen damit ausgeglichen werden. In diesem Zusammenhang höre ich immer wieder, dass der Unterhaltspflichtige (meist der Mann) die Unterhaltsberechtigte (meist die Frau) während der Ehe immer wieder dazu gedrängt hat, selbst zu arbeiten und selbst Geld zu verdienen, die Frau das aber verweigert hat. Im Rahmen der ehebedingten Nachteile erzielt man mit diesem Vortrag keinen Erfolg.

Im Prozess muss das Gericht folgende Fragen beantworten:

1. Was könnte der Unterhalt fordernde Ehegatte tatsächlich verdienen, wenn er seine Arbeitskraft vollständig einsetzt.
2. Was würde der Unterhalt fordernde Ehegatte verdienen, wenn er nicht wegen der klassischen Rollenverteilung in seiner Ehe seine beruflichen Tätigkeit ganz aufgegeben oder zurückgeschraubt hätte.

Die Antworten auf diese Fragen können sehr kompliziert zu beschaffen sein. Es wird die fiktive Entwicklung einer beruflichen Karriere nachzuvollziehen sein. Wenn das aktuell erzielte Einkommen und das bei fiktiver Beurteilung ohne Ehe erzielbare Einkommen in gleicher Höhe liegen, liegt kein ehebedingter Nachteil vor. Werden vom Unterhalt fordernden Ehegatten ehebedingte Nachteile behauptet, muss festgestellt werden, dass diese Nachteile auch tatsächlich durch die Ehe entstanden sind. Die für die schlechtere Einkommenssituation maßgeblichen Entscheidungen müssen während der Ehezeit erfolgt sein.

Beispiel:

In einer langjährigen Partnerschaft ohne Eheschließung mit gemeinsamen Kindern hat die Frau ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben, um sich um die gemeinschaftlichen Kinder zu kümmern. Die dadurch entstandenen Nachteile sind, da die Entscheidung bereits vor der Eheschließung erfolgte, nicht ehebedingt.

Was ist noch nicht ehebedingt?

Häufige Fälle:

1.
Die Ehefrau kommt aus dem nicht europäischen Ausland zur Heirat nach Deutschland. Trotz Sprachkursen, Fortbildungen usw. kann sie in ihrem bisherigen Beruf als (z.B. Lehrerin) nicht Fuß fassen. Dass ist kein ehebedingter Nachteil. Es wird dann nicht verglichen, was sie konkret derzeit hier verdient und was sie als Lehrerin hier verdienen könnte, sondern nur was sie konkret hier verdient und was sie konkret im Heimatland würde verdienen können.

2.
Keine ehebedingten Nachteile sind es, wenn die Unterhaltsbedürftigkeit durch persönliche Umstände oder schicksalhafte Entwicklungen des Unterhaltsbedürftigen entstanden sind.

Meist geht es um Erkrankungen. Erkrankungen sind nur selten ein ehebedingter Nachteil. Die Rechtsprechung hat nicht einmal in dem Fall, in dem die Ehekrise eine psychotische Krankheit ausgelöst hat, von einem ehebedingten Nachteil gesprochen. Allenfalls psychische Erkrankungen im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes können zu solchen Nachteilen führen.

3.
Hatte die Frau vor ihrer Hochzeit aus einer vorangegangenen Ehe einen Unterhaltsanspruch gegen den ersten Mann, der mit der neuen Heirat wegfällt, ist das kein ehebedingter Nachteil.

Wer muss was beweisen?

Die Bedeutung der Darlegungs- und Beweislast in solchen Verfahren ist immens. Ausgehend von dem Beibringungsgrundsatz, also dass die Beteiligten alles für das Gericht entscheidungserhebliche vortragen müssen, sieht die Rechtsprechung die Beweislast wie folgt:

Da Grundsatz ja der unbeschränkte Unterhalt ist, muss derjenige, der sich auf eine Befristung oder Begrenzung berufen will, Tatsachen vortragen, die gegen das Vorhandensein ehebedingter Nachteile sprechen.

Der Unterhaltsfordernde muss sodann im Rahmen der sekundären Beweislast das Fehlen ehebedingter Nachteile bestreiten und muss substantiiert darlegen, welche beruflichen Nachteile er durch die Ehe und durch die gemeinsamen Kinder erlitten hat. Er kann sich dabei auf dokumentierte Verläufe wie Tarifverträge, auf branchenübliche regelmäßige Einkommenssteigerungen sowie Beförderungen berufen.

Ist der Unterhaltsfordernde der sekundären Darlegungslast nachgekommen, muss der Unterhaltsschuldner versuchen, diese Behauptungen zu widerlegen. Auch das ist schwer, aber eine vollschichtige Tätigkeit des Unterhaltsfordernden im erlernten Beruf spricht schon mal gegen ehebedingte Nachteile.

Was folgt aus § 1578 b BGB?

1. Eine Befristung des Unterhaltes

Wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist der Unterhalt zeitlich zu begrenzen. Die Schonfrist muss berücksichtigt werden und nach deren Ablauf endet die Unterhaltsverpflichtung auch z.B. unabhängig von der Tatsache, dass es dem Unterhaltsfordernden nicht gelungen ist, wieder erfolgreich in seinen Beruf einzusteigen. In diesem Fall geht die Unterhaltsverpflichtung auf den Steuerzahler über.

2. Die Begrenzung des Unterhaltsanspruchs

Die Begrenzung kann nur auf den angemessenen Lebensbedarf erfolgen.