Wann gibt es Betreuungsunterhalt über das 3. Lebensjahr hinaus
So der Gesetzestext! Aber was sagen uns diese dünnen Worte?
1. Für 3 Jahre ist der Unterhalt sicher
2. danach ist alles offen.
Vor der Unterhaltsreform 2008 hatten wir das Altersphasenmodell. Erst ab bestimmten Altersphasen der Kinder wurde darüber nachgedacht, ob der betreuende Elternteil selbst arbeiten könnte und müsste. Dieses Altersphasenmodell soll nicht mehr gelten, sondern jeder Einzelfall soll auf seine Besonderheiten hin untersucht werden. Im folgenden möchte ich ein paar Kriterien aufführen, nach denen beurteilt wird, ob der betreuende Elternteil über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus einen Betreuungs-Unterhaltsanspruch hat.
Folgende Fragen werden im Prozess gestellt und beantwortet werden müssen:
1. Gab es in der Ehe besondere Absprachen über die Rollenverteilung der Eheleute im Hinblick auf Erwerbstätigkeiten? Wenn der Ehemann also zum Beispiel während der funktionierenden Ehe gesagt hat, die Ehefrau solle nicht arbeiten sondern sich nur und ausschließlich um das Kind kümmern, kann er nicht nach Trennung sofort verlangen, dass die Kindesmutter arbeitet und das Kind in Fremdbetreuung gibt.
2. Mußte einer der Eheleute auf eine berufliche Karriere verzichten? Diese Frage gehört mit zu Ziffer 1. Wenn einer der Eheleute nach Geburt des Kindes zum Beispiel sein Studium aufgegeben hat und in der Folgezeit sich nur um die Kindererziehung kümmern sollte, wird sich dessen Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach Billigkeit eher verlängern.
3. Wie lange hat die Ehe gedauert?
4. Wie sehen die beruflichen Chancen des betreuenden Elternteils konkret auf dem Arbeitsmarkt aus?
5. Wie sieht der übliche Tagesablauf des kinderbetreuenden Elternteils aus? Diese Frage ist wichtig um zu klären, wie die Belastung des kinderbetreuenden Elternteils insgesamt aussieht. Es gilt zu klären, inwieweit ihm durch eine Erwerbsobliegenheit weitere Verpflichtungen aufgelegt werden können und ob neben der Versorgung, Verpflegung und Erziehung des Kindes überhaupt angemessene Zeit verbleibt, um berufstätig zu sein.
6. Wie sehen die konkreten Betreuungsmöglichkeiten aus? Dazu gehört die Frage, ob in der Nähe des betreuenden Elternteils ein Kindergarten, ein Kinderhort, eine Schule oder sonstige Betreuungseinrichtungen sind. Es gilt zu klären, welche Zeiten für das Bringen und Holen der Kinder aufzuwenden sind. Es ist zu fragen, ob die Bringzeiten und die Abholzeiten mit den Arbeitszeiten des betreuenden Elternteils in Einklang zu bringen sind. Es sind die Wege zwischen der Wohnung und den Betreuungsstätten, die Fahrtzeiten und die Fahrtmittel zu klären. Eine Mutter kann eher ihre Kinder bringen und holen, wenn sie ein eigenes Fahrzeug hat. Wenn sie dafür auf öffentliche Verkehrsmittel im ländlichen Bereich angewiesen ist, wird es extrem schwierig.
7. Gibt es Personen, welche die Betreuung übernehmen können? Dazugehört die Frage, ob zum Beispiel (Groß-)Eltern in der Nähe wohnen und teilweise die Kinderbetreuung übernehmen können. Betreuungspersonen können auch sonstige Familienmitglieder, Freunde oder Lebensgefährten sein. Mit dieser Frage geht einher, wieviel Fremdbetreuung dem konkreten Kind zugemutet werden kann.
8. Ist das Kind gesund, normal entwickelt und generell fremdbetreuungsfähig? Mit dieser Frage ist zu klären, ob das konkrete Kind längerfristig in Drittbetreuung gegeben werden kann. Ist das Kind zum Beispiel chronisch krank, leidet es an Lernschwierigkeiten oder gibt es besondere Probleme aufgrund der Trennung der Eltern, wird Drittbetreuung und damit eine Ausweitung der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils eher ausscheiden.
9. Kann der Vater Betreuungsleistungen übernehmen? Viele Väter erwarten von der betreuenden Mutter eine vollschichtige Erwerbstätigkeit. Daneben soll die Mutter sich aber um das Kind kümmern und eine angemessene Versorgung und Erziehung gewährleisten. Dagegen beschränken sich die Väter auf das übliche Umgangsrecht alle 14 Tage am Wochenende. Dies führt in der Regel zu einer nicht hinnehmbaren Mehrbelastung der Mütter.
Auf der anderen Seite sind viele Väter auch bereit, wesentlich mehr an Kinderbetreuung übernehmen, als die oben geschilderte Umgangsregelung hergibt. Dann sind es häufig die Mütter, die dazu nicht bereit sind.
Eine Menge Fragen, die umfangreichen Prozessvortrag erfordern. Ein großes Streitpotenzial eröffnet sich. Auch die Anwälte können nicht glücklich über diese Situation sein. Bei einzelnen Gerichten ist feststellbar, dass diese “auf dem kalten Wege” wieder auf das Altersphasenmodell zurückkehren. Natürlich war dies für alle Beteiligten einfacher. Die Beratungssituation der Rechtsanwälte ist schwieriger geworden. Es ist kaum noch vorhersehbar, wie ein Unterhaltsprozess ausgehen wird.