Restwert des beschädigten Fahrzeugs

Des Restwert des beschädigten Fahrzeugs

Bei einer Totalschadensabrechnung ergibt sich die Höhe der Schadensersatzleistung für den Fahrzeugschaden aus der Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des beschädigten Fahrzeugs.

Der Restwert wird entweder auf der Basis eines konkret ermittelten Betrages bestimmt - z.B. wenn der Geschädigte das Fahrzeug im beschädigten Zustand verkauft - oder auf der Basis einer Restwertangabe im Sachverständigengutachten.

Die Kfz-Haftpflichtversicherer wenden gelegentlich ein, es läge für das beschädigte Fahrzeug ein höheres Restwertangebot als im Gutachten angegeben vor. Solche Angebote stammen zumeist von spezialisierten Restwertaufkäufern. Der Versicherer legt dann diesen höheren Restwert seiner Schadensabrechnung zugrunde. Zu dieser Praxis hat der Bundesgerichtshof im Jahr 1992 Stellung genommen. In seinem Urteil vom 6. April 1993 - Az. VI ZR 181/92 - führt er aus:

"Der Geschädigte darf bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Satz 2 BGB die Veräußerung seines beschädigten Fahrzeugs grundsätzlich zu demjenigen Preis vornehmen, den ein von ihm eingeschalteteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen Markt ermittelt hat. Auf höhere Ankaufpreise spezieller Restwertaufkäufer braucht er sich in aller Regel nicht verweisen zu lassen."

Es steht dem Geschädigten also frei, sein Fahrzeug auf dem allgemeinen Gebrauchtwagenmarkt zu dem Preis zu verkaufen, den der von ihm eingeschaltete Sachverständige ermittelt hat. Ein höheres Restwertangebot des gegnerischen Versicherers braucht er nicht abzuwarten. Ein solches Angebot kann dem Geschädigten nur dann entgegengehalten werden, wenn er es erhält und in zumutbarer Weise realisieren kann, bevor er sein beschädigtes Fahrzeug verkauft oder in Zahlung gegeben hat.

Kann der Geschädigte den im Sachverständigengutachten angegebenen Restwert nicht realisieren oder will er sich nicht um die Verwertung kümmern, so steht es ihm frei, das Fahrzeug dem Schädiger zur Verfügung zu stellen und Ersatz des vollen Fahrzeugschadens ohne Anrechnung des Restwertes zu verlangen.

Kann der Geschädigte aufgrund sogenannter "überobligationenmäßiger" Anstrengungen einen höheren Verkaufserlös erzielen als im Gutachten angegeben (d.h. er betreibt einen größeren Aufwand als rechtlich erforderlich, um ein besonders hohes Restwertangebot zu erzielen, z.B. durch die Einholung zahlreicher Restwertangebote), so braucht er sich diesen Mehrerlös nicht vom Schädiger anrechnen lassen. Der aufgrund seiner Anstrengungen erzielte Mehrerlös mindert also nicht seinen Schadensersatzanspruch. Lediglich wenn ihm das höhere Restwertangebot quasi "in den Schoß fällt" muß er sich diesen höheren Restwert anrechnen lassen. Die Beweislast dafür, dass der der Geschädigte zur Erzielung des höheren Restwertes keine überobligationenmäßigen Anstrengungen aufgewendet hat, trifft grundsätzlich den Schädiger

Restwerturteil des BGH

(Auszüge aus BGH Urteil vom 06.04.1993, Aktenzeichen: VI ZR 181/92)

"Der Geschädigte darf bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Satz 2 BGB die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs grundsätzlich zu demjenigen Preis vornehmen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen Markt ermittelt hat. Auf höhere Ankaufpreise spezieller Restwertaufkäufer braucht er sich in aller Regel nicht verweisen zu lassen."

"Die Beklagten kommen allein deshalb zu einem höheren Restwertbetrag, weil sie von Werten ausgehen, die auf einem speziellen Restwertmarkt bezahlt werden. Diese Werte hat auch der gerichtliche Sachverständige seinem Gutachten zugrunde gelegt. Auf sie muß sich der Kläger aber nicht verweisen lassen. Der von ihm eingeschaltete Sachverständige hat vielmehr mit Recht auf denjenigen Kaufpreis abgestellt, der auf dem allgemeinen Markt für das unfallbeschädigte Kraftfahrzeug zu erzielen war."

"Will er also sein Fahrzeug etwa der ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erweb eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung geben, dann kann ihn der Schädiger gegenüber deren Ankaufangeboten nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, der nur auf einem dem Geschädigten erst durch den Schädiger eröffneten Sondermarkt, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwertaufkäufer, zu erzielen wäre."

Neue Restwertentscheidung des BGH
VI ZR 219/98 Urteil vom 30.11.1999

Leitsätze:

a. Bei der Ersatzbeschaffung gem. § 249 Satz 2 BGB genügt der Geschädigte im allgemeinen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn er im Totalschadensfall das Unfallfahrzeug zu dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen Restwert verkauft oder in Zahlung gibt.

b. Weist der Schädiger ihm jedoch eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nach, kann der Geschädigte im Interesse der Geringhaltung des Schadens verpflichtet sein, davon Gebrauch zu machen.

c. Der bloße Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung, um deren Realisierung sich der Geschädigte erst noch bemühen muss, genügt indessen nicht, um seine Obliegenheiten zur Schadensminderung auszulösen.

d. Zu den Voraussetzungen der Sachdienlichkeit bei Zulassung einer Klageänderung.

Aus den Gründen:

Im Ansatz geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass die Klägerin im Totalschadensfall wie hier nur Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes verlangen kann (BGHZ 11, 364, 372; Senatsurteil vom 21. Januar 1992 – VI ZR 142/91 – VersR 1992, 457; vom 6. April 1993 – VI ZR 181/92 – VersR 1993, 769). Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, steht die Ersatzbeschaffung als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Satz 2 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat (BGHZ 115, 364, 368 f.; 115, 375, 378; 373, 376).

a)
Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt, wie der Senat ebenfalls mehrfach betont hat, auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeuges bei Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss (Senatsurteil vom 21. Januar 1992 aaO und vom 6. April 1993 aaO S. 770), denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeuges muss sich der Geschädigte grundsätzlich im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten. Das beruht auf dem Gedanken, dass er bei der Ersatzbeschaffung nach § 249 Satz 2 BGB nur den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangen kann.

Dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit leistet der Geschädigte indessen im allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Satz 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er das Unfallfahrzeug auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens und des darin ausgewiesenen Restwertes verkauft oder in Zahlung gibt. Denn das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen bildet in aller Regel eine geeignete Grundlage für die Bemessung des Restwertes, so dass der Geschädigte den so ermittelten Restwertbetrag grundsätzlich seiner Schadensberechnung zugrunde legen darf. Der Schädiger kann den Geschädigten deshalb insbesondere nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielen könnte (Senatsurteil vom 21. Januar 1992 und vom 6. April 1993 zu II 3 jeweils aaO; OLG Hamm NJW 1993, 404; OLG Nürnberg NJW1993, 404, 405; vgl. auch BGHZ 132, 373, 378).

b)
Diese Grundsätze, von denen auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, schließen es freilich nicht aus, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um seine sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Denn der Geschädigte steht bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Satz 2 BGB nicht nur unter dem allgemeinen Gebot, einen wirtschaftlich zulässigen Weg zu wählen. Vielmehr kann er aus dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB (vgl. BGHZ 132, 373, 376) auch gehalten sein, unter besonderen Umständen von einer zulässigen Verwertung Abstand zu nehmen und andere sich ihm darbietende Möglichkeiten der Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des Zumutbaren zu ergreifen. Dass der Sachverständigen- schätzwert nicht ausnahmslos der Schadensabrechnung zugrunde gelegt werden darf, hat der Senat bisher schon anerkannt, so insbesondere für den Fall, dass der Geschädigte bei dem Verkauf oder Inzahlunggabe ohne überobligationsmäßige Anstrengung tatsächlich einen höheren Preis erzielt hat (Senatsurteil vom 21. Januar 1992 aaO). Deshalb gilt der Grundsatz, dass der von einem Sachverständigen ermittelte Restwert eine geeignete Grundlage für die Schadensabrechnung bilde, nur „in aller Regel“. Desgleichen können auch Ausnahmen von dem Grundsatz, dass sich der Geschädigte nicht auf spezialisierte Restwertaufkäufer verweisen zu lassen brauche, nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Doch müssen derartige Ausnahmen, deren Voraussetzungen zur Beweislast des Schädigers stehen, in engen Grenzen gehalten werden, weil andernfalls die dem Geschädigten nach § 249 Satz 2 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde (Senatsurteil vom 21. Januar 1992 zu II.2) b) bb) und vom 6. April 1993 zu II.3) b)). Nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens. Diese Stellung darf ihm durch eine zu weite Ausnahmehandhabung nicht genommen werden. Insbesondere dürfen ihm bei Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden.

c)
Bei Zugrundlegung dieser Maßstäbe kann dem Berufungsgericht nicht in der Auffassung gefolgt werden, die Klägerin habe hier mit dem Verkauf des Unfallfahrzeuges zu dem Schätzwert des Sachverständigen gegen ihre Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB verstoßen. Zwar kann dem Berufungsgericht im Ansatz durchaus in der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos einen höheren Erlös zu erzielen vermag oder wenn der Schädiger ihm eine ohne weitere zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nachweist, sich den höheren, ihm möglichen Erlös im Rahmen des Zumutbaren zurechnen lassen muss. Doch hat das Berufungsgericht die tatsächlichen Voraussetzungen für eine solche Sachgestaltung nicht festgestellt.

aa)
Die Beklagte zu 3) hatte die Klägerin mit Schreiben vom 3. Juli 1995 lediglich auf ein Restwertangebot der Firma R. über 10.000 DM (brutto) hingewiesen. Der Nettopreis von 8.695,65 DM lag zwar mit 3.195, 55 DM wesentlich über dem vom Sachverständigen geschätzten Wert von 5.500 DM. Doch der bloße Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung, um deren Realisierung sich die Klägerin erst noch hätte bemühen müssen, genügte nicht, um deren Schadensminderungsobliegenheiten auszulösen. Da ein bindendes Angebot der Firma R. gegenüber der Klägerin – anders als in dem mit Senatsurteil vom 21. Januar 1992 entschiedenen Fall – bisher nicht vorlag, hätte sich diese erst noch selbst an die Firma R. wenden müssen, wie sie es mit Schreiben vom 18. Juli 1995 dann auch getan hat, um von dieser ein konkretes und verbindliches Angebot einzuholen. Es kann also schon deswegen keine Rede davon sein, dass die Klägerin mühelos einen höheren Erlös hätte erzielen können oder die Beklagte zu 3) ihr eine günstigere Verwertungsmöglichkeit nachgewiesen hätte. Der Klägerin wurde vielmehr erst noch die Entfaltung eigener Initiative zum Verkauf an einen Restwertaufkäufer abverlangt, zu der sie nicht verpflichtet war.

bb)
Die Revision weist auch zu Recht darauf hin, dass sich die Firma F. in G. in erheblicher Entfernung vom Wohnort der Klägerin befindet und das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass sich die Firma R. bereitgefunden hätte, das Unfallfahrzeug abzuholen und auf ihre Kosten nach G. zu verbringen. Solange sich der Aufkäufer dazu nicht bereit erklärt, braucht sich der Geschädigte auf derartige Verwertungsmöglichkeiten nicht einzulassen. Vielmehr kann der Geschädigte bei Ausübung seiner Ersetzungsbefugnis zunächst auf den ihm zugänglichen allgemeinen Markt seiner Umgebung zurückgreifen (vgl. BGHZ 132, 373, 380).

cc)
Zu Unrecht lastet das Berufungsgericht der Klägerin ferner als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht an, dass sie, ohne die Antwort der Firma R. auf ihre Anfrage vom 18. Juli abzuwarten, ihren Wagen zu dem niedrigeren Schätzwert des Sachverständigen veräußert hat, es sei ihr ohne weiteres möglich gewesen, vor der Veräußerung bei der Firma R. nachzufragen, ob diese an ihrem höheren Restwertangebot festhalte. Wie bereits vermerkt, hatte die Firma R. der Klägerin noch gar kein konkretes Angebot unterbreitet. Außerdem befand sich dieses Unternehmen außerhalb der engeren räumlichen Umgebung der Klägerin, so dass diese vor der Frage stand, wie und auf wessen Kosten das Unfallfahrzeug nach G. hätte verbracht werden sollen. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, der Klägerin diese Lasten abzunehmen.
Überdies kann die Klägerin gute Gründe gehabt haben, den Unfallwagen zu verkaufen, bevor eine Antwort auf ihre Anfrage bei der Firma R. eingegangen war. Wann und warum sie das Unfallfahrzeug verkaufte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Es ist aber, auch unter Beachtung der Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast (Senatsurteil vom 24. November 1998 – VI ZR 388/97 – VersR 1999, 774 m.w.N.), Sache des Schädigers, die mitverschuldensbegründenden Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen. Ein Verstoß gegen die sich § 254 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Geringhaltung des Schadens kann dem Geschädigten erst dann vorgeworfen werden, wenn solche Umstände feststehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte im allgemeinen ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Schadensbehebung hat und ihm deshalb ein längeres Zuwarten bei sich bietender sofortiger Verwertungsmöglichkeit unter Umständen nicht zuzumuten ist. Immerhin war hier seit dem Unfall am 28. Mai bereits geraume Zeit verstrichen, als die Klägerin bei der Firma R. mit Schreiben vom 18. Juli um ein Angebot bat, bis zum 26. Juli aber noch keine Antwort erhalten hatte. Bei dieser Sachlage kommt ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nur dann in Betracht, wenn Umstände feststehen, bei denen der Klägerin ein weiteres Zuwarten durchaus zuzumuten gewesen wäre. Davon kann hier nach den bisherigen Feststellungen jedoch keine Rede sein.