Kopftuch kein Kündigungsgrund

12. Kopftuch kein Kündigungsgrund

Das Tragen eines islamischen Kopftuchs allein rechtfertigt grundsätzlich nicht die ordentliche Kündigung einer Verkäuferin in einem Kaufhaus. Die bloße Befürchtung des Arbeitgebers, dass es durch das Tragen des Kopftuchs zu nachteiligen Folgen kommen kann, reicht nicht aus, um die Glaubensfreiheit der Arbeitnehmerin hinter die Berufsfreiheit des Arbeitgebers zurücktreten zu lassen.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) betreibt ein Kaufhaus. Die dort beschäftigte muslimische Verkäuferin teilte der Bf. mit, sie werde bei ihrer Tätigkeit künftig aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen. Die Bf. kündigte daraufhin ordentlich das Arbeitsverhältnis. Die Kündigungsschutzklage der Verkäuferin hatte vor dem BAG (Urt. v. 10.10.2002 - 2 AZR 472/01) Erfolg. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde. Das BAG trage einseitig den Interessen der Arbeitnehmerin Rechnung, ohne die Berufs- und Vertragsfreiheit des Arbeitgebers ausreichend zu berücksichtigen. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

Das BAG hat bei der Auslegung und Anwendung der Kündigungsvorschriften den Grundrechtsschutz des Arbeitgebers aus Art. 12 I GG nicht verkannt. Es ergeben sich aber vorliegend aus den kollidierenden Grundrechtspositionen abstrakt keine Maßstäbe dafür, welches Maß der Einschränkung seiner Kündigungsfreiheit der Arbeitgeber letztlich hinnehmen muss, um den Freiheitsraum des Arbeitnehmers im Rahmen des von beiden Parteien freiwillig eingegangenen Verhältnisses zu wahren. Dies haben in erster Linie die Fachgerichte im konkreten Einzelfall abzuwägen.

Das BAG hat das Abwägungsergebnis maßgeblich darauf gestützt, dass die Bf. betriebliche Störungen oder wirtschaftliche Nachteile nicht hinreichend plausibel dargelegt habe. Darauf deutete weder Branchenüblichkeit noch die Lebenserfahrung hin, zumal die Verkäuferin auch weniger exponiert als in der Parfümerieabteilung des Kaufhauses eingesetzt werden könne. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sachgerecht ist es auch, dass das BAG eine konkrete Gefahr des Eintritts der von der Bf. befürchteten nachteiligen Folgen verlangt und nicht schon auf einen bloßen Verdacht hin die Glaubensfreiheit der Arbeitnehmerin zurücktreten lässt.

BVerfG, Beschl. v. 30.07.2003 - 1 BvR 792/03
PM des BVerfG Nr. 68/2003 v. 21.08.2003